Geschichte der Deutschen im heutigen Georgien

Die Hochgebirgsregion des Kaukasus liegt im Grenzbereich zwischen Europa und Asien. Georgien und Armenien haben eine christliche Tradition, Aserbaidschan ist vorwiegend islamisch geprägt. Im frühen 19. Jahrhundert wurde die Region, die zuvor unter der Oberhoheit der Osmanen und der Perser stand, dem Zarenreich angegliedert.
Die Siedlungen im Südkaukasus (Georgien und Aserbaidschan) wurden überwiegend von schwäbischen Auswanderern angelegt, während sich im Nordkaukasus vor allem wolgadeutsche Siedler niederließen. Außerdem gab es Kolonien niederdeutscher Mennoniten nördlich des Kaukasus.

Georgien wurde nach der schrittweisen Eroberung durch Russland zwar einer intensiven Russifizierung unterworfen. Zugleich öffnete die russische Herrschaft Georgien für Europa. Tiflis/Tbilissi wurde durch sein liberales Bürgertum zum „Paris des Ostens“. Deutsche siedelten sich vor allem in Südgeorgien an. Von 1817 an trafen die ersten von der russischen Regierung in Württemberg angeworbenen Kolonisten ein. Für sie wurden um Tiflis/Tbilissi herum Grundstücke ausgewiesen. So entstanden die ersten deutschen Kolonien: Marienfeld, Neu-Tiflis, Alexandersdorf, Petersdorf, Elisabethtal und Katharinenfeld/Bolnisi. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts folgte eine Zeit des wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwungs der Deutschen Georgiens. Unter den Neuankömmlingen waren auch Kulturschaffende und Wissenschaftler, die eine wichtige Rolle bei der Verbreitung der deutschen Sprache, der Ausbildung von Fachkräften und der Popularisierung der europäischen Kultur in Georgien spielten.

Der Zweite Weltkrieg wurde zu einer großen Tragödie für die deutsche Minderheit Georgiens. Mehr als 23.000 ethnische Deutsche wurden nach Kasachstan zwangsumgesiedelt. Ab 1956 durften die ersten deportierten Deutschen nach Georgien zurückkehren.

Georgien heute

Die Assoziation der Deutschen Georgiens Einung wurde im August 1991 gegründet. Sie zählt etwa 2.000 Mitglieder, die Mehrheit davon aus Tiflis/Tbilissi, viele weitere aus anderen Städten Georgiens.

Das überlieferte altdeutsche Wort „Einung“ bezeichnet eine auf Eid gegründete vertragliche Übereinkunft und die darauf fußende Gemeinschaft. Die Gesellschaft Einung hat mit der Unterstützung der Deutschen Botschaft in Tiflis/Tbilissi eine Begegnungsstätte für die deutsche Minderheit eingerichtet. Hier werden Ausstellungen eröffnet und Konzerte veranstaltet, Deutschunterricht gegeben und Feste gefeiert.

In den ersten Jahren nach der georgischen Unabhängigkeit, als die soziale Lage besonders schwierig war, kam der Gesellschaft eine wichtige Rolle in der Versorgung vieler älterer Gemeindemitglieder zu. Im gleichen Gebäude ist die vom Diakonischen Werk finanzierte Sozialstation der deutschen Minderheit untergebracht.

Klassiker und Märchen - Junge Einung

Das Jugendtheaterstudio der Einung führte über mehrere Jahre unter der Leitung der Schriftstellerin Diana Kessner deutsche Klassiker und Märchen auf.

Die Assoziation organisierte bis 2015 mit Beteiligung der Deutschen Botschaft ein Sommersprachlager in Kobuleti am Schwarzen Meer. Danach wurden zusammen mit dem Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) ein internationales Jugendlager der deutschen Minderheiten aus der Kaukasusregion, Mittelund Osteuropa in Ureki gestaltet, ebenfalls am Schwarzen Meer. Viele junge Mitglieder der Einung arbeiten bei verschiedenen deutschen Firmen in Georgien.

Was ist charakteristisch an Ihrer Heimat?

„Viele bedeutende Gebäude wurden im Zeitraum der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von deutschen Architekten gebaut. Auf Initiative der Assoziation ‚Einung‘ wurde einer der Straßen in Tbilissi der Name von Architekt Leopold Bielfeld verliehen.“

Dr. Harry Augst, Vorsitzender der Assoziation der Deutschen Georgiens Einung, geb. 1939, Zchinwali, Georgien

Wein und Weihe - 200 Jahre Einwanderung

Bis heute haben die wirtschaftlichen und kulturellen Traditionen der Einwanderer identitätsstiftenden Charakter für die deutsche Gemeinschaft in Georgien.

Die zumeist aus dem Bildungsbürgertum stammenden Einwanderer brachten auch ihren Glauben mit: 1897 wurde in Tiflis/Tbilissi die evangelisch-lutherische St. Peter-und-Paul-Kirche eingeweiht, ein Projekt des deutschstämmigen Architekten Leopold Bielfeld. Der Kirche war ein Gymnasium angegliedert. Viele georgische Wissenschaftler und Kulturschaffende haben diese Schule besucht.

1946/47 wurde die Kirche unter Einsatz deutscher Kriegsgefangener zerstört. Nach der Unabhängigkeit Georgiens 1991 entstand an selber Stelle ein Neubau.

Ebenfalls im 19. Jahrhundert wurde durch die deutschen Kolonisten der alte, traditionelle Weinbau wiederbelebt und damit zu einem der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren der Region.

In Katharinenfeld/Bolnisi werden heute die historischen Weinkeller restauriert.