Geschichte der Deutschen im heutigen Polen

Seit dem 12. Jahrhundert siedelten sich Deutsche innerhalb der heutigen Grenzen Polens an.

Im 14. Jahrhundert bildeten sie in einigen Regionen, z.B. in Schlesien, eine bedeutende Minderheit und in einigen Städten, z.B. in Krakau/Kraków, die Mehrheit.

In den östlichen Teilen des Landes kam es im Laufe der Zeit zur weitgehenden Assimilierung dieser Bevölkerungsgruppen. In Pommern, Preußen und Schlesien, die in den folgenden Jahrhunderten mehrmals ihre Staatszugehörigkeit wechselten und teilweise über 700 Jahre lang zu deutschen Staaten gehörten, bildeten Deutsche eine deutliche Mehrheit. Ende 1944 zählte sie bis zu zehn Millionen Menschen.

1945 wurde die Westgrenze Polens durch die Alliierten bis an die Oder und Neiße verschoben. Die östlichen Teile des Landes fielen an die Sowjetunion unter der Herrschaft Stalins. Die Bevölkerung in den früheren deutschen Ostgebieten sowie die Deutschen in Polen wurden Opfer von Flucht, Vertreibung und Aussiedlung.

Nur etwa eine Million Deutsche blieb zurück und bildet erneut eine Minderheit, die von den Behörden der Volksrepublik Polen meistens nicht anerkannt wurde. Die Deutschen unterlagen einem radikalen Assimilierungsdruck; bis 1990 hatten sie kein Recht auf die Pflege ihrer Sprache und Kultur. Sie wurden als sogenannte Autochthone bezeichnet (größtenteils Oberschlesier und Masuren) und mussten die polnische Staatsangehörigkeit annehmen, um in ihrer Heimat bleiben zu dürfen. Diese Unterdrückung und die schlechte Wirtschaftslage führten seit den 1970er Jahren zur Emigration von nahezu 70 Prozent der Volksgruppe.

Polen heute

Die deutsche Minderheit in Polen ist in den Regionen Oberschlesien, Niederschlesien, Großpolen, Ostpreußen und Westpreußen, Lodz/Łódź und Pommern zuhause. Sie ist mit etwa 500 Begegnungsstätten in zehn von 16 Woiwodschaften Polens vertreten. Die meisten Organisationen der deutschen Minderheit finden sich mit etwa 322 Einrichtungen in der Woiwodschaft Oppeln/Opole, gefolgt von der Woiwodschaft Schlesien/Województwo śląskie mit 115 Begegnungsstätten und der Woiwodschaft Ermland und Masuren/Województwo warmińsko-mazurskie mit 24 Organisationen. Mit dem Abschluss des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrags 1991 wurde die deutsche Minderheit offiziell anerkannt.

Der Verband der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften (VdG) ist die Dachinstitution aller Organisationen der deutschen Minderheit in Polen, zu deren wichtigsten Aufgaben neben der Kultur-, Jugend- und Bildungsarbeit die politische Vertretung gehört. Laut Volkszählung besteht die deutsche Minderheit aus fast 150.000 Mitgliedern, geschätzt sind es jedoch 300.000. In vielen Vereinen engagieren sich die Mitglieder für die Förderung der deutschen Sprache und die Belebung von Traditionen. Sie sind aktiv im Bereich Medien, Soziales, Religion, Wirtschaft und Wissenschaft.

Die Struktur der deutschen Minderheit in Polen baut auf einem weit verzweigten Netz von Vereinen wie der Deutschen Bildungsgesellschaft, der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Stiftung für die Entwicklung Schlesiens, dem Bund der Jugend der deutschen Minderheit, der Wohltätigkeitsgesellschaft und vielen anderen auf.

Da geht noch was - Bunte Bildungs- und Jugendarbeit

Die deutsche Sprache kann in polnischen Schulen und Kindergärten als Fremdsprache und als Sprache einer nationalen Minderheit unterrichtet werden. Derzeit wird der Unterricht im Fach Deutsch als Minderheitensprache landesweit fast 52.000 Kindern angeboten. Leider sind durch das polnische Schulsystem nur drei zusätzliche Unterrichtsstunden pro Woche möglich. Die deutsche Minderheit versucht das auch durch Gründung von Bildungseinrichtungen in eigener Trägerschaft zu verbessern. Im Jahr 2017 befinden sich in Oberschlesien vier solcher Vereinsschulen mit Kindergärten.

An zehn Samstagen im Frühjahr und Herbst kommen Kinder im Alter von sechs bis elf Jahren in den Begegnungsstätten der Deutschen Freundschaftskreise zu sogenannten Samstagskursen zusammen, um zu basteln, zu singen oder zu tanzen. Beim spielerischen Umgang mit der deutschen Sprache lernen die Kinder etwas über Kultur, Geschichte und Tradition ihrer Heimat. Gleichzeitig dienen die Deutschen Freundschaftskreise als Treffpunkt für Familien. Das landesweite Programm, so wie auch das Netz von Jugendbox für Jugendliche ab zwölf Jahren, wird vom Verband der deutschen sozialkulturellen Gesellschaften in Polen (VdG) koordiniert.

Was ist charakteristisch an Ihrer Heimat?

„Ich lebe in zwei Dimensionen und fühle mich betroffen, wenn jemand auf die Deutschen schimpft und ich mag es nicht, wenn Deutsche ungerecht gegen die Polen auftreten.“

Rafał Bartek, Vorsitzender der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien (SKGD), geb. 1977, Oppeln/Opole, Polen

Alle drei Jahre - Das Kulturfestival in Breslau

Zu den größten kulturellen Ereignissen der deutschen Minderheit in Polen gehört das Kulturfestival, das seit 2003 alle drei Jahre in der Jahrhunderthalle in Breslau/Wrocław organisiert und von etwa 7.000 Menschen besucht wird. Auf der Hauptbühne präsentieren sich Tanz- und Musikgruppen, Chöre, Orchester der deutschen Volksgruppe und Schlagerstars aus Deutschland. Initiativen, Freundschaftskreise und Vereine präsentieren sich mit Ständen. Literarische Wettbewerbe, Workshops und Debatten ergänzen das reiche Veranstaltungsprogramm. Das Festival dient ebenso der Verständigung mit der polnischen Mehrheitsgesellschaft und der Festigung des deutschpolnischen Austausches. 2015 hatten die Außenminister beider Länder die Schirmherrschaft übernommen.

Welcher „Herkunft“ würden Sie sich bezeichnen? Fühlen Sie sich bspw. sowohl als Teil der Minderheit als auch zur Mehrheitsbevölkerung zugehörig?

„Ich würde mich als Deutscher bezeichnen. Ich fühle mich als Teil der deutschen Volksgruppe (Minderheit ist für mich nur ein juristischer Begriff). Ich fühle mich natürlich auch als Schlesier, der zum deutschen Kulturkreis gehört. Mit der Mehrheitsbevölkerung teile ich die gleiche Staatsangehörigkeit.“

Bernard Gaida, Vorstandsvorsitzender des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen (VdG), geb. 1958, Guttentag/Dobrodzień, Polen

Bei Anpfiff Deutsch - Die Miro Deutschen Fußballschulen

Die Idee zur Gründung der Miro Deutschen Fußballschule entstand in Chronstau/Chrząstowice nach der Fußballweltmeisterschaft 2015. Die Region identifiziert sich stark mit der deutschen Minderheit und der deutschen Sprache. Die Schule steht unter der Schirmherrschaft des in Oppeln geborenen Fußballweltmeisters Miroslav Klose und wird von der Sozial-kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien (SKGD) koordiniert.

Die Kinder erlangen unter Aufsicht professioneller Trainer nicht nur sportliche Fertigkeiten, sondern lernen beim Sport auch die deutsche Sprache. Das Training beinhaltet auch einen Sprachteil, der sich auf deutsche Lehrmaterialien stützt, die das Goethe-Institut Krakau/Kraków bereitstellt. Zurzeit gibt es elf Filialen der Fußballschule.

Glauben Sie, dass eine interkulturelle Identität ein Vorteil in der globalisierten Welt ist?

„Das Aufwachsen in zwei Kulturen und am besten auch in zwei Sprachen ist immer vom Vorteil. Es bereichert sowohl die Minderheit als auch die Mehrheit. Wichtig dabei ist, dass man sich der eigenen Identität bewusst und auch stark in ihr ist. Wenn man das nicht ist, kann schnell die Assimilation erfolgen und dann ist dieser Vorteil weg.“

Bernard Gaida, Vorstandsvorsitzender des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen (VdG), geb. 1958, Guttentag/Dobrodzień, Polen