Geschichte der Deutschen im heutigen Lettland

Die ersten Deutschen zogen Ende des 12. Jahrhunderts in das Gebiet des heutigen Lettlands. Sie folgten den Eroberungen des Schwertritterordens. Deutschbalten, wie die deutschsprachige Oberschicht sich nannte, prägten über sieben Jahrhunderte das öffentliche Leben, obwohl sie zu keinem Zeitpunkt mehr als 10 % der Gesamtbevölkerung stellten. Nur in Riga waren Deutschsprachige vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert in der Mehrheit.

Die Deutschbalten gründeten Städte, führten das Buchwesen ein, entwickelten das Lettische zur Schriftsprache, eröffneten die ersten Schulen und förderten Kunst und Architektur.

Die Beziehungen zwischen Deutschbalten und Letten wurden durch die Jahrhunderte andauernde soziale Ungleichheit der feudalen Gesellschaftsordnung getrübt. Mit dem wachsenden Nationalismus im 19. Jahrhundert, einem steigenden lettischen Nationalbewusstsein und einem zunehmenden Einfluss russischer Assimilationsbestrebungen kam es zu ersten Auswanderungswellen. Die Auswanderung der Deutschen aus Lettland hält durch verschiedene politische und wirtschaftliche Faktoren verursacht bis heute an.

Was empfinden Sie an sich selbst als „deutsch“ im täglichen Leben?

„Ich versuche, pünktlich zu sein und mehr oder weniger alles zu organisieren und zu planen. Auch sage ich meine Meinung gerne direkt.“

Alexander, geb. 1980, Riga/Rīga, Lettland

Lettland heute

In Lettland leben nach Angaben des Auswärtigen Amtes derzeit 4.975 Menschen, die sich als Deutsche verstehen. Sie sind gleichmäßig über das Land verteilt – mit Zentren in Riga/Rīga, Libau/Liepāja, Dünaburg/Daugavpils und Windau/Ventspils.

Heute ist die deutsche Minderheit ein zwar kleiner, aber von der Mehrheitsgesellschaft voll akzeptierter und für die kulturelle Vielfalt enorm wichtiger Bestandteil Lettlands.

Durch den Wegzug vieler junger Menschen seit den 1990er Jahren hat die deutsche Minderheit einen hohen Anteil älterer Mitglieder. Sie sind hauptsächlich in Vereinen aktiv und stehen unter dem Dach des Verbandes der Deutschen in Lettland. Die Vereine bieten Sprachkurse an, engagieren sich sozial für Senioren und im Gesundheitswesen, zusätzlich geben sie Publikationen zum deutschen Erbe in Lettland heraus. Mit Veranstaltungen, Wettbewerben, Konzerten, Musik-, Tanz- und Gesangsensembles bereichern sie das kulturelle Leben in ihren Städten nachhaltig.

Der Gesamtverband arbeitet in enger Kooperation mit anderen deutschen und deutsch-lettischen Kulturinstitutionen. Auf der politischen Ebene ist die deutsche Minderheit in vielen Räten vertreten: beim Präsidenten, im Kulturministerium und in den Stadtverwaltungen.

Gibt es gemeinsame Sprachfindungen oder …-ismen (Romanismen, Saxonismen…) in der Kommunikation?

„Ich kann meine Beobachtungen nur über Wechselbeziehungen zwischen Deutsch und Lettisch bzw. Russisch in Riga äußern. Auch wenn die Deutschbalten 1939 ihre baltische Heimat verlassen haben, haben sie auf das Alltagslettisch sehr starken Einfluss ausgeübt, weil eine große Zahl der Germanismen übernommen wurde. Man darf auch nicht vergessen, dass eben deutsche Pastoren im 16. Jahrhundert auf der Grundlage der mittelniederdeutschen Schreibung Lettisch verschriftlicht haben und damit auch die lettische Sprache wesentlich deutsch geprägt ist.“

Dr. phil. Silvija Pavidis, Hochschullehrerin, geb. 1949, Riga/Rīga, Lettland

Es tönen die Lieder! - Sängerfeste und Liedertradition

Die Tradition der Liederfeste im Baltikum ist ein Ergebnis gegenseitiger kultureller Einflüsse, die unter anderem auf die Chorbewegungen und das Aufkommen von Laienmusik im Europa des

19. Jahrhunderts zurückgeht. In den regionalen deutsch-lettischen Liederensembles der Kulturvereine wird diese Tradition weitergeführt.

Dreimal waren lettische Städte Veranstaltungsorte für das jährliche Liederfest der deutschen Vereine des Baltikums: 2010 Windau/Ventspils, 2013 Libau/Liepāja und 2017 Riga. Deutsch-baltische Gruppen sind auch beim Allgemeinen Lettischen Liederfest vertreten.

Gewöhnlich nehmen mehr als 30.000 Besucher an dieser Veranstaltung teil. Seit 2008 zählen die baltischen Liederfeste zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO.

Gibt es deutsche Lieblingsspeisen oder Speisen des Landes, die Sie besonders mögen?

„Spargel mit Kartoffeln, Brezeln, Haribo.“

Aurelija, geb. 1983, Wilna/Vilnius, Litauen

Ist die deutsche Bevölkerung heute als Minderheit akzeptiert?

„Wer Dokumente hat, wird akzeptiert, aber viele Kirchenbücher sind in der Kriegszeit verbrannt.“

Rita, geb. 1939, Zabeln/Sabile, Kurland, Lettland