Geschichte der Deutschen im heutigen Kasachstan
Im Zuge der Expansion des Zarenreiches nach Zentralasien gelangten Deutsche aus den baltischen Provinzen, aber auch aus deutschen Einzelstaaten seit dem späten 18. Jahrhundert in die Region. Es handelte sich um Verwaltungsbeamte, Militärangehörige, Ärzte und Kaufleute, später auch um Bauern.
Die Vorfahren der meisten heute in dieser Region lebenden Deutschen kamen allerdings nicht freiwillig dorthin. Sie wurden vielmehr 1941 aus den europäischen Teilen der Sowjetunion, insbesondere aus den Wolgagebieten deportiert. Männer und Frauen mussten in der sogenannten „Trudarmee“ Zwangsarbeit im Bergbau, in der Erdölförderung, der Industrie, beim Eisenbahnbau oder in der Forstwirtschaft leisten.
Deutsche Kolchosen und deren Sowchosen in Kasachstan wurden später ein Vorbild für fortschrittliche Landwirtschaftsbetriebe. Die deutschen Gelehrten und Künstler haben einen beträchtlichen Beitrag zur wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung Kasachstans geleistet. Ende der 1980er Jahre lebte fast eine Million ethnische Deutsche in der Kasachischen SSR. Sie haben die Entwicklung Kasachstans in allen Bereichen des Lebens nachhaltig geprägt.
Die Geschichte der Deutschen in Kasachstan
Kasachstan heute
Die Republik Kasachstan ist Heimat für mehr als 130 Ethnien. Etwa 180.000 Menschen gehören der deutschen Minderheit an. Die Mehrheit von ihnen lebt im zentralen und nordöstlichen Teil des zentralasiatischen Landes in den Regionen Astana, Kökschetau, Karaganda/Qaraghandy, Pawlodar, Kostanaj und Petropawlowsk.
Die Deutschen in Kasachstan sind gesellschaftlich gut integriert. Sie werden durch die Gesellschaftliche Stiftung „Vereinigung der Deutschen Kasachstans ‚Wiedergeburt“ mit dem Sitz in Astana repräsentiert. Die Stiftung „Wiedergeburt“ vereinigt 21 Regionalgesellschaften und führt soziale, Jugend-, Sprach-, Bildungs-, Informations-, ethnokulturelle u.a. Projekte durch. Ziel der Stiftung ist die Konsolidierung der gesamten deutschen Minderheit in Kasachstan.
Als kulturelles Zentrum für die Kasachstandeutschen wurde 1994 das Deutsche Haus Almaty mit deutscher Unterstützung eröffnet. Die Stiftung „Wiedergeburt“ ist Mitglied der beratenden Volksversammlung Kasachstans, die die zahlreichen ethnischen Minderheiten des Landes repräsentiert und neun Abgeordnete im kasachischen Parlament stellt.
Die deutsche Volksgruppe in Kasachstan versteht sich als Brücke zwischen Kasachstan und Deutschland. Zwischen den beiden Ländern bestehen enge bilaterale Beziehungen, insbesondere in den Bereichen Wirtschaft und Bildung.
Kasachstan heute
Sprachrohr - Das Deutsche Theater Almaty
Das 1980 gegründete Deutsche Theater bekam in Temirtau in der Region Karaganda/Qaraghandy seine erste Spielstätte. Das Theaterensemble wurde schon bald zum Vorreiter der Wiedergeburt-Bewegung und zu einem wichtigen Sprachrohr für die deutsche Minderheit in der damaligen Sowjetunion.
Miteinander - Der Deutsch-Kasachische Businessclub
Kasachstan ist für Deutschland der wichtigste Handelspartner in Zentralasien. Der Deutsch-Kasachische Businessclub spielt deshalb eine besondere Rolle in den bilateralen Beziehungen. Die Businessplattform, die hauptsächlich die deutschstämmigen Unternehmer vereinigt, versteht sich als Interessenvertretung gegenüber den deutschen und kasachischen Behörden und Institutionen, als Unterstützer bei der Entwicklung von Geschäftsbeziehungen und Mentoringprogrammen und bei der Interaktion mit der Selbstorganisation der Deutschen Kasachstans.
Bücherreihe
Seit 2016 wird das Projekt „Bücherreihe über hervorragende Deutsche Kasachstans“ realisiert, wo in Form von fundierten Publikationen der Beitrag der bedeutenden Kasachstandeutschen in die Entwicklung des Landes und in die Aufbewahrung der deutschen ethnischen Gemeinschaft bekannt gegeben wird.
Was empfinden Sie an sich selbst als „deutsch“ im täglichen Leben?
„In meiner Arbeitswelt spielt das Deutsche kaum eine Rolle, außer dass die Kollegen bestimmte Stereotypen haben. Im privaten Alltag wird versucht, die deutsche Sprache und Kochkultur weiterzugeben.“
Zeitzeuge, anonym, geb.1979, Almaty, Kasachstan
Presse als Brücke - Medienvielfalt
Die wöchentlich erscheinende Deutsche Allgemeine Zeitung (DAZ) ist die einzige deutschsprachige Zeitung in Kasachstan und Zentralasien. Sie erscheint in deutscher und russischer Sprache und kann auf eine treue Leserschaft unter den Kasachstandeutschen zählen.
Junges Radio - Podcast Workshop
Podcasts gelten als das neue Radio. In Kasachstan ist diese Form elektronischer Medien jedoch noch wenig verbreitet. Um dies zu ändern, fand im Mai 2017 in Almaty ein deutschsprachiger Podcast-Workshop für junge Menschen aus Zentralasien statt.
Gedenken - Deportation und Lager
Am 31. Mai wird landesweit der Opfer politischer Verfolgung und stalinistischen Terrors gedacht. Schätzungsweise 800.000 Menschen waren im kasachischen Gulag inhaftiert, darunter viele Deutsche.
Ein Museum in Dolinka erinnert an das Arbeitslager Karlag, das Karagandiner Lager, im Gebiet Karaganda/Qaraghandy.
Weitere wichtige Erinnerungsorte sind Spasskij, wo sich ein Kriegsgefangenenlager befand, und Alzhir, ein Akronym für „Akmolinsker Lager für Frauen von Verrätern der Heimat“. Dort, mitten in der kasachischen Steppe, waren Frauen mit Kindern interniert.
Ein Gedenkstein auf dem Gelände des Deutschen Hauses in Almaty erinnert an jene Deutschen, die Opfer von Krieg, Vertreibung und Not wurden.
Am nationalen Gedenktag, dem 31. Mai, finden in den Gedenkstätten Veranstaltungen mit Jugendlichen und Zeitzeugen, die von ihren Erinnerungen an Deportation und Zwangsarbeit in der „Trudarmee“ erzählen, statt. Die Vereinigung der Deutschen führte landesweit zwei große Zeitzeugenprojekte durch mit dem Ziel, die Erinnerungen der Deportierten und Trudarmisten festzuhalten. Die Ergebnisse des ersten Projektes sind in dem Buch Aus den Erinnerungen der Zeitzeugen veröffentlicht worden.